Bericht Ziele

Das Marsilius-Kolleg als Heidelberger Center for Advanced Study für interdisziplinäre Grundlagenforschung

Die Entwicklung der modernen Wissenschaft ist durch wachsende Spezialisierung gekennzeichnet. Wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt scheint unabdingbar daran geknüpft. Eine gute wissenschaftliche Leistung ist heute in der Regel eine spezialistische Leistung. Daran führt kein Weg mehr vorbei.

 

Schluchter

Diese Entwicklung hat aber zugleich die Kluft zwischen den Disziplinen tiefer werden lassen. Insbesondere die experimentell arbeitenden Naturwissenschaften und die Geisteswissenschaften können sich kaum noch miteinander verständigen. Aber diese Kluft existiert längst nicht mehr nur zwischen diesen beiden Wissenschaftskulturen. Sie besteht zum Beispiel auch zwischen diesen und den Rechts-, Wirtschafts-, Sozialwissenschaften. Hinzu kommen institutionelle Hürden. Diese Wissenschafts-kulturen sind deshalb auch in Heidelberg in hohem Maße voneinander isoliert.

Will man diese unfruchtbare Situation überwinden, muss man zunächst die Vertreter der verschiedenen Wissenschaftskulturen miteinander ins Gespräch bringen. Doch so wichtig dies ist, allein genügt es nicht. Vielmehr sind wir heute als Wissenschaftler mit einer Vielzahl theoretischer und praktischer Probleme konfrontiert, die nicht von einer Disziplin gelöst werden können. Diese Probleme sind transdisziplinärer Natur und erfordern interdisziplinäre Bearbeitung. Dabei bleibt wahr, dass interdisziplinäre Arbeit disziplinäre Kompetenz voraussetzt. Aber eine die Disziplinen überschreitende Zusammenarbeit zwischen Forschern auf der Grundlage ihrer disziplinären Kompetenzen wird immer dringlicher.

 

KraeusslichDas Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg ist eine institutionelle Antwort auf diese Problemlage. Mit seiner Einrichtung soll in Heidelberg zweierlei erreicht werden: das Gespräch zwischen den Wissenschaftskulturen zu fördern sowie disziplinübergreifende Forschungsprojekte zu initiieren und zu konkretisieren. Dabei sollen auch die stark ortsgebundenen experimentell arbeitenden Naturwissenschaften mit ihren Forschergruppen einbezogen werden. Gerade zwischen ihnen und den übrigen Wissenschaftskulturen ist eine Zusammenarbeit besonders erwünscht. Das Marsilius-Kolleg ist aber weder ein traditionelles Forschungsinstitut, noch eine Einrichtung zur Vergabe von Forschungsgeldern. Es ist vielmehr ein Center for Advanced Study, ein Ort der Begegnung zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der verschiedensten Disziplinen und der forschungspraktischen Innovation. Pro Jahr werden 10 bis 15 Fellows aufgenommen, deren Aufgabe darin besteht, den Dialog zwischen den Wissenschaftskulturen voranzutreiben sowie gemeinsame Forschungsprojekte zu konzipieren und durchzuführen. Insofern ist das Marsilius-Kolleg der institutionelle Ort, an dem Disziplinen und Wissenschaftskulturen an der Universität Heidelberg auf neue Weise zusammenarbeiten sollen.

 

Die Universität Heidelberg versteht sich als eine Volluniversität der Zukunft, an der alle wichtigen Wissenschaftskulturen auf hohem Niveau repräsentiert sind. Diese müssen sich nach ihren eigenen Erfordernissen weiterentwickeln. Doch sollte dies nicht in wechselseitiger Isolation geschehen. Will man das Potential einer Volluniversität der Zukunft ausschöpfen, ist die bessere Vernetzung der Wissenschaftskulturen unverzichtbar, und zwar auf der Grundlage, nicht aber auf Kosten der fachlichen Spezialisierung. Es gilt also, zwischen der Skylla eines engstirnigen Spezialistentums und der Charybdis eines unfundierten Generalistentums hindurchzusteuern.

In dem zunächst für fünf Jahre finanzierten Kolleg werden in diesem Zeitraum voraussichtlich mehr als 50 Heidelberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den verschiedensten Disziplinen vorübergehend als Fellows arbeiten und dabei neue persönliche und vor allem wissenschaftliche Verbindungen knüpfen. Dies dürfte nicht ohne Wirkung auf die Universität als Ganzes bleiben. Jedenfalls hat sich das Marsilius-Kolleg zum Ziel gesetzt, dazu beizutragen, dass in der Universität aus bloßer Vielheit ohne Einheit möglichst viel Einheit in Vielfalt wird.

Seitenbearbeiter: Geschäftsstelle
Letzte Änderung: 15.03.2013
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