Projektbeschreibung

Das Projekt „Gleichheit und Ungleichheit bei der Leberallokation: aktuelle Fragen aus medizinischer, juristischer und ethischer Sicht“ beschäftigt sich mit der Frage, wie angesichts der Knappheit an Spenderorganen die Organ-Allokation gerecht gestaltet werden kann. Die Entscheidung, welcher Patient eine Spenderleber erhält, wird in § 12 Abs. 3 S. 1 des Transplantationsgesetzes (TPG) geregelt, wonach die knappen Spenderorgane nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht zu verteilen sind, sowie durch die Richtlinien, welche die Bundesärztekammer (BÄK) in Wahrnehmung ihres gesetzlichen Auftrags zur Konkretisierung dieser gesetzlichen Verteilungsvorgaben erlassen hat. Insbesondere aus inhaltlichen Gründen gelten diese Richtlinien bei Medizinern, Juristen und Ethikern (wenn auch nicht unbedingt aus identischen Gründen) als reformierungsbedürftig

Juristen kritisieren zumeist, dass viele wartelistenzugangsbezogenen Richtlinienvorschriften zu hohe Anforderungen an die zu erwartenden Erfolgsaussichten stellen und deshalb gegen die Verfassung verstoßen, die nach Auffassung der herrschenden Meinung eine rein dringlichkeitsbasierte Organallokation gebietet. Im Gegensatz hierzu klagt die Medizin über die mangelnde Effektivität des durch die Richtlinien der BÄK etablierten Verteilungssystems und fordert eine stärker an den Erfolgsaussichten der Transplantation orientierte Organallokation (z.B. Ergänzung der am MELD-Score orientierten Spenderleberverteilung um Elemente zur Prädiktion des postoperativen Outcomes), sowie Maßnahmen zur Erhöhung des Organaufkommens (z.B. verstärkte Durchführung des Split-Liver-Verfahrens). Aus ethisch-deontologischer Sicht ist zu klären, inwieweit die Hilfspflicht zur Lebensrettung überhaupt die Berücksichtigung der Erfolgsaussicht einer Transplantation erlaubt oder gar verlangt. Die ethische Reflexion offenbart zudem, dass immer dezisionistisch festgelegt werden muss, welche Erfolgswahrscheinlichkeit mit einer Transplantationsmaßnahme verbunden sein sollte.

Die Einbeziehung der Erfolgsaussichten erscheint angesichts der gegenwärtigen Organknappheit unverzichtbar und würde (entgegen der vorherrschenden Meinung in der Literatur) auch nicht an unüberwindlichen rechtlichen Hindernissen scheitern, sofern sie erst bei der Verteilung im engeren Sinne zum Zuge kommen. Vielmehr steht und fällt die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Erfolgskriteriums damit, ob man das Erfolgskriterium dazu einsetzt, die Zahl der überlebenden Organempfänger zu maximieren (verfassungsgemäß) oder lediglich die Gesamtfunktionsrate des Patientenkollektivs (ohne Rücksicht auf die Zahl der geretteten Organempfänger) zu optimieren. Eine wesentliche Aufgabe besteht daher in der Klärung, welche Ausprägungen des Erfolgskriteriums ethisch und rechtlich zulässig sind und wie diese operationalisierbar gemacht werden können.

Ziel dieses Projekts ist es, die Schwächen des bisherigen Verteilungssystems in Theorie und Praxis aus ethischer, rechtlicher und medizinischer Perspektive zu analysieren. In einem weiteren Schritt sollen Vorschläge zur Verbesserung der Entscheidung über den Wartelistenzugang, des Verteilungsmodus für die Leberallokation und der Entscheidung, ob das von Eurotransplant dem konkreten Patienten zugewiesene Organ für diesen medizinisch geeignet ist, erarbeitet werden. Dadurch soll auf der Grundlage evidenzbasierter medizinischer Erkenntnisse eine den Anforderungen der Ethik und des Rechts entsprechende Organallokation gewährleistet werden, die aber auch der gegenwärtigen Knappheits-problematik Rechnung trägt und die von der Medizin geforderten Effizienzgesichtspunkte berücksichtigt.

 

Forschungsthemen:

  1. Reformvorschläge zur Steigerung der Effektivität des Verteilungssystems
    1. Ergänzung der am MELD-Score orientierten Spenderleberverteilung um Elemente zur Prädiktion des postoperativen Outcomes),
    2. Maßnahmen zur Erhöhung des Organaufkommens (z.B. verstärkte Durchführung des Split-Liver-Verfahrens)
  1. Kritische Evaluierung der bestehenden Allokationsnormen und Richtlinien zur Aufnahme auf die Warteliste:
    1. Abstinenzklausel bei alkoholinduzierter Leberzirrhose
    2. Non-Compliance 
Seitenbearbeiter: Geschäftsstelle
Letzte Änderung: 19.05.2014
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