Bereichsbild

Teilprojekt Philosophie

 

Der Klimawandel im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Geo-Engineering zwischen Vorhersage, Risiko und Fiktion

 

Forschungsgegenstand des philosophischen Teilprojekts ist die Interpretation von möglichen Zukunfts-Technologien, die darauf abzielen, das Klimasystem großräumig zu beeinflussen. Bei der Ingenieursarbeit im planetaren Maßstab, dem so genannten Geo-Engineering, handelt sich um Verfahren, welche die vorhergesagten Klimawandelfolgen durch die direkte Steuerung biophysikalischer Prozesssysteme rückgängig zu machen versuchen. Die Arbeit untersucht erstens Funktionen und Probleme der wissenschaftlichen Klimavorhersage. Zweitens geht es um die Entwicklung eines technikphilosophischen Profils mit historischer und normativer Problemstellung. Drittens soll anhand von Filmbeispielen analysiert werden, wie sich über bestimmte Darstellungsmittel Technik und Natur in Argumente verwandeln.

 

Im Forschungsverbund hat sich die Philosophie in einer ersten Phase um die Einbettung der  Themenfelder „Klimawandel“ und „Geo-Engineering“ in gesamtgesellschaftliche Prozesse zu kümmern. Das methodische Vorgehen wird systemtheoretische Komponenten hinsichtlich diskursbildender Konzepte haben. Zu untersuchen ist, welchen Mechanismen die Versuche unterliegen, das abstrakte Szenario des Klimawandels für die Öffentlichkeit anschaulich zu machen. Dabei ist der Frage zu folgen, wie durch mediale Darstellung überhaupt ein breitenwirksames Bewusstsein für die Dringlichkeit der Technik und ihrer möglichen Gestalt entsteht. Denn die Akzeptanz bestimmter Möglichkeiten und ihrer Alternativen hängt von gesellschaftlich dominierenden Projektionen ab. Übergreifende Aspekte wie Unsicherheiten und Risiken, die Inszenierungslogik der Wissenschaftskommunikation und die Selbstaffirmation des bloß Möglichen sind Teil der Untersuchung.

 

Die Inversion klassischer Rationalitäten im Sinne von Mittel-Zweck- und Ursache-Wirkungs-Beziehungen ist dabei ein Motiv, das ebenso in technikphilosophischer Hinsicht zu analysieren ist. Dementsprechend soll dem Diskurs um Geo-Engineering in einer zweiten Annäherung mit einer Historisierung begegnet werden. Dies folgt dem Ansatz, dass ein Verstehen der Versuche einer technologischen Meisterung von Natur-Herausforderungen ein hermeneutisches Verständnis des technischen Denkens notwendig macht. Da der Grenzverlauf zwischen dem Natürlichen, dem Technischen und dem Kulturellen zunehmend durchlässiger wird, können Technikgeschichte und Geistesgeschichte nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden. In diesem Zusammenhang steht die Sichtung der technikphilosophischen Stellungnahmen, die ausgehend von den zwei Grundrichtungen technikaffiner und technikkritischer Positionen zuletzt auch normative Aussagen führen. Begriffe wie „Natur“ und „Technik“ sind dabei in ihren historischen Kontexten vorzustellen und der einseitigen Bewertung im Lichte der Entlastungs- bzw. Bedrohungsthese gegenüberzustellen.

 

Darauf aufbauend werden drittens kulturelle Vermittlungszusammenhänge in Filmen und Romanen untersucht. Inwiefern können sich massenmediale Fiktionen zu Realitätsdrehbüchern entwickeln? Da Erwartungen und Wahrnehmungen der Öffentlichkeit sowohl historisch informiert als auch medial geformt sind, gilt es, diese Prägungen, Vorverständnisse und Interpretationen bewusst zu machen. Für diese verstehenstechnische Aufgabe wird methodisch die Phänomenologie des 20. Jahrhunderts grundlegend sein, insofern die verschiedenen Dispositive unserer Wahrnehmung und unseres Fürwahrhaltens in lebensweltlichen Kontexten stehen. Gerade bei der Notwendigkeit der Kooperation mit den sachbeteiligten Disziplinen gibt so die phänomenologische Analyse der Lebenswelt eine Basis, auf der die sozialen wie rechtlichen, historischen wie geographischen und zuletzt rein physischen Aspekte des Geo-Engineering im Rahmen einer Gesamtdeutung anthropologisch-historischen Zuschnitts integriert werden können.

 

Ein Ziel der Dissertation besteht darin, zeitgenössische sowie ideengeschichtliche Konstellationen im Denken bezüglich des klassischen Verhältnisses zwischen dem natürlich Gewachsenen und dem technisch Gemachten zu erhellen. Wechselwirkungen und „strukturelle Koppelungen“ zwischen Massenmedien und sozialer Kommunikation, zwischen fiktionalen Inszenierungen und öffentlichen Diskursen, zwischen einer „selbstursächlichen“ Natur und einer „fremdverursachten“ Technik werden beschrieben und entsprechende Transformierungsprozesse reflektiert. Die Untersuchung ist damit vor drei wegweisende Fragestellungen gestellt. Die erste Frage eröffnet eine anthropologisch-gesellschaftswissenschaftliche Perspektive: Was bedeuten der Klimawandel und invasive Klima-Techniken für die Weltwahrnehmung der Gesellschaft? Worin bestehen die Risiken und Nebenwirkungen technischer Systeme? Zweitens: Existieren Legitimations-Probleme von technischen Eingriffen in das Ökosystem? Das betrifft die normative Frage, inwiefern die von Verfechtern und von Gegnern der neuen Technologien hervorgebrachten Argumente in einer ethischen Hinsicht rechtfertigbar und zu bewerten sind. Drittens: Wie werden „technische Lösungen“ medial dargestellt, bzw. welchen formalen Inszenierungen unterliegt das Natur-Bild im Film? Auf welche Art und Weise werden dabei Vorverständnisse, Bewertungen und Erwartungen modelliert?

 

Hannes Fernow

 

 

Seitenbearbeiter: Geschäftsstelle
Letzte Änderung: 23.05.2018