Arbeitsvorhaben Prof. Dr. Thomas Fuchs

Das Gehirn - ein Organ der Freiheit? Neurobiologische Bedingungen personaler Autonomie

 

In der klassischen Ethiktradition und Handlungstheorie setzt das Verständnis von Handlungen im Unterschied zu natürlichen Ereignissen eine abwägende, beurteilende und zu Entscheidungen fähige Instanz voraus, die zumeist dem Begriff der Person zugeordnet wird. Für Personen ist es charakteristisch, dass sie nicht unmittelbar aus Impulsen heraus agieren müssen, sondern das eigene Handeln vor dem Hintergrund ihrer Überzeugungen und unter Berücksichtigung der Interessen anderer bewerten und bestimmen können. Dieses Vermögen der Selbstbestimmung spielt insbesondere seit Kant eine zentrale Rolle für die Begründung der Menschenwürde. Die neurobiologische Problematisierung der Willensfreiheit hat daher potenziell weitreichende Auswirkungen auf unser Verständnis von Personalität und menschlicher Würde.

 

Das Projekt soll in dieser Debatte einen neuen Weg beschreiten, indem es die anthropologischen Voraussetzungen personaler Autonomie, insbesondere selbstbestimmten Handelns mit den Erkenntnissen der Neurobiologie in Beziehung setzt und dabei insbesondere diejenigen Besonderheiten der menschlichen Gehirnentwicklung heranzieht, die dem Menschen im Verlauf seiner Phylo- und Ontogenese zunehmende Freiheitsgrade ermöglichen. Dazu gehören insbesondere spezifische Frontalhirnfunktionen, die der Regulation emotionaler Impulse und der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme bzw. "Theory of Mind" zugrundeliegen. Durch eine Verknüpfung neurobiologischer Theorien (Fuster, Gazzaniga u.a.) mit Ansätzen der philosophischen Anthropologie, so die Hypothese, lassen sich menschliche Personen als Wesen verstehen, deren Körperorganisation bzw. Gehirnstrukturen ihnen die Möglichkeit zur Entwicklung einer "exzentrischen Position" (Plessner) und damit potentiell auch zur Selbstbestimmung unter allgemeinen moralischen Gesichtspunkten geben. - Das Porjekt soll somit biologische und sozialanthropologische Deutungen der Entwicklung personaler Autonomie auf eine mögliche Konvergenz hin untersuchen.

 

Seitenbearbeiter: Geschäftsstelle
Letzte Änderung: 13.11.2013
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