Fellow-Klasse 2009/10 Prof. Dr. Ute Mager
Arbeitsvorhaben am Marsilius-Kolleg
Altersdiskriminierung 8211; Eine Untersuchung zu Konzept und Funktionen eines ungewöhnlichen Diskriminierungsverbots
Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Alters gehört nicht zu den klassisch menschenrechtlichen Diskriminierungsverboten, wie sie in Art. 3 Abs. 3 GG, Art. 14 EMRK, Art. 26 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) oder Art. 2 II Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR) enthalten sind. Die klassischen Merkmale (insbes. Geschlecht, Ethnie, aber auch Heimat, Herkunft) betreffen Eigenschaften, die einem Menschen unverfügbar und unveränderlich anhaften, aus diesem Grund seine Identität (mit)prägen, ohne aber den persönlichen Wert oder die individuellen Fähigkeiten in den verschiedensten sozialen Zusammenhängen festzulegen. Die Diskriminierungsverbote wenden sich gerade gegen die irrationale Verknüpfung von grundsätzlich unverfügbaren und grundsätzlich veränderlichen Eigenschaften. Die klassischen Diskriminierungsverbote dienen damit sowohl dem Schutz der individuellen Persönlichkeit als auch der Herstellung gleicher Freiheitschancen.
Das Alter als Differenzierungskriterium weist insoweit Ähnlichkeit mit den herkömmlichen Diskriminierungsmerkmalen auf, als es für jeden einzelnen Menschen unverfügbar ist. Es ist auch in einem gegebenen Zeitpunkt nicht veränderlich, weist allerdings im Unterschied zu den o.g. Merkmalen die Besonderheit auf, dass es sich um ein in der Zeit veränderliches Merkmal handelt. Alle alten Menschen waren auch einmal jung, die meisten jungen Menschen werden auch einmal alt. Hinzukommt, dass bei den anderen Merkmalen - bei allen Abstufungen, Unterschieden und Schattierungen in der Realität - begrifflich eine klare Zuordnung unabhängig vom jeweiligen Sachzusammenhang möglich ist. Die Relevanz des Alters ist dagegen häufig überhaupt erst durch den Sachzusammenhang begründet. Während eine Hochleistungssportlerin mit 39 Jahren alt ist, ist sie nach Art. 54 GG zu jung, um Bundespräsidentin zu werden. Dies verweist darauf, dass das sich individuell verändernde Lebensalter in Beziehung zu einer Vielzahl von individuell in unterschiedlichem Maße verwirklichten und in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich bewerteten Eigenschaften steht, so dass das Verbot der Altersdiskriminierung eine sehr viel komplexere Form irrationaler Verknüpfung von Eigenschaften erfassen soll und muss als die herkömmlichen Differenzierungsverbote. Differenzierung nach dem Alter ist das in Bezug auf die klassischen Merkmale praktisch gar nicht auftretende Problem eigen, dass neben den verpönten irrationalen auch eine Vielzahl von rationalen Typisierungen nach dem Alter möglich erscheinen. Damit ist die Altersdiskriminierung alles anders als ein klares Konzept.
Für das deutsche Recht ist das Verbot der Altersdiskriminierung erst im Jahre 1999 mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam zum Thema geworden. Art. 13 EG, nunmehr Art. 19 AEU (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), ermächtigt den Rat Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen u.a. wegen des Alters zu bekämpfen. Auf Art. 13 EG beruht die Richtlinie 78/2000 über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, die dem Antidiskriminierungsgesetz (AGG) zugrunde liegt. Seither gibt es eine Fülle von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen und von arbeitsrechtlicher Literatur, die sich mit den
Anwendungsproblemen dieses Gesetzes befassen. Dagegen gibt es kaum deutschsprachige Literatur, die sich dem Thema der Altersdiskriminierung in prinzipieller Hinsicht zuwendet.
Eine prinzipielle Untersuchung umfasst:
I. Zur Klärung des Konzepts der Altersdiskriminierung:
- Analyse der Struktur des Verbots der Altersdiskriminierung im Vergleich mit den besser untersuchten menschenrechtlichen Diskriminierungsverboten
- Gründe und Hintergründe der Entstehung des Verbots der Altersdiskriminierung unter Einbeziehung der Rechtsvergleichung sowie sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse
- Analyse, welche Eigenschaften in unterschiedlichen Zusammenhängen mit Lebensaltern typisierend erfasst werden. In diesem Zusammenhang sind die zahlreichen im Recht selbst vorgegebenen Altersgrenzen auf ihren sachlichen Gehalt und ihre Funktion zu befragen.
- Unterscheidung zwischen rationaler und irrationaler Typisierung nach dem Alter unter Berücksichtigung von Erkenntnissen der Gerontologie, der ökonomischen Analyse des Rechts sowie von Gerechtigkeitsaspekten (Generationengerechtigkeit)
II. Zur den Funktionen des Verbots der Altersdiskriminierung
- In welchen Zusammenhängen dient das Verbot dem Schutz vor Persönlichkeitsverletzung, der Herstellung von Chancengleichheit, der sozialstaatlichen Verteilungspolitik oder noch anderen Zwecken und welche Rechtsfolgen finden sich im Zusammenhang mit den verschiedenen Funktionen
- Besteht eine Relation zwischen verschiedenen Funktionen des Verbots und den Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung.
Die Bearbeitung des Themas an der Universität Heidelberg und insbesondere im Rahmen des Marsilius-Kollegs drängt sich auf, da an der Universität seit vielen Jahren Alter(n)sforschung betrieben wird und das interdisziplinäre Projekt "Perspectives of Ageing in the Process of Social and Cultural Change" im Marsilius-Kolleg verankert ist. Das hier skizzierte Thema ist einerseits auf das an der Universität Heidelberg und im Marsilius-Kolleg vorhandene sozialwissenschaftliche, medizinische und psychologische Wissen angewiesen, kann andererseits die bereits laufende interdisziplinäre Zusammenarbeit um die rechtswissenschaftliche Perspektive
ergänzen.

FORSCHUNGSGEBIETE
- Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht
- Umweltrecht
- Raumplanungsrecht
Lebenslauf
- 1982-1988 Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Kiel, Lausanne und der FU Berlin, gefördert von der Studienstiftung des Deutschen Volkes, das Auslandsstudium vom DAAD
- 1988 Erstes Juristisches Staatsexamen
- 1988-1990 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FU Berlin
- 1991 Zweites Juristisches Staatsexamen
- 1991-1995 Wiss. Mit. an der FU Berlin
- 1994 Promotion zum Dr. iur.
- 1995-2002 Wissenschaftliche Assistentin an der FU Berlin
- 2002 Habilitation an der FU Berlin
- 2002 Lehrstuhlvertretung an der Uni. Mainz
- 2003-2004 Lehrstuhlvertretung an der Uni. Bielefeld
- 2004 Lehrstuhlvertretung an der Uni. Heidelberg
- seit 2004 Universitätsprofessorin, Professur für Öffentliches Recht, Universität Heidelberg
- seit 2006 Studiendekanin der Juristischen Fakultät
- seit 2007 Direktorin des Zentrums für anwaltsorientierte Juristenausbildung
Ausgewählte Publikationen
Table
Einrichtungsgarantien. Entstehung, Wurzeln, Wandlungen und grundgesetzgemäße Neubestimmung einer dogmatischen Figur des Verfassungsrechts, Jus Publicum, Band 99, Tübingen 2003. |
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, Schriftenreihe Öffentliches Recht, Band 669, Berlin 1994. |
Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung, VVDStRL 65 (2006), S. 274 - 315. |
Die europäische Verwaltung zwischen Hierarchie und Netzwerk, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht - zur Tragfähigkeit eines Konzepts, Tübingen 2008, S. 369 - 397. |
Die staatengerichtete Entscheidung als supranationale Handlungsform, EuR 2001, S. 661- 681. |
Das neue Untersuchungsausschussgesetz des Bundes - Parlamentarische Organisation von Kontrolle durch Publizität, Der Staat 41 (2002), S. 597 - 615. |
Kommentierung zu 50 BImSchG (Planungsrechtlicher Trennungsgrundsatz), in: Kotulla (Hrsg.) Kommentar zum Bundesimmissionsschutzgesetz, Loseblatt, Stand Januar 2007, S. 1 - 24. |
§§ 78 - 87 TKG (Universaldienste), in: Säcker, Franz Jürgen (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, Schriftenreihe Kommunikation & Recht, Band 21, 2006, S. 1527 - 1601, 1739 - 1743. |
Das europäische System für den Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten und sein Verhältnis zum Anlagenordnungsrecht, DÖV 2004, S. 561 - 566. |
Verwirrung um den Abfallbegri - Zur Bedeutung der Texaco-Entscheidung für das deutsche Abfall- und Bodenschutzrecht, VBlBW 2005, S. 289 - 293. |
KONTAKT
Prof. Dr. Ute mager
Juristisches Seminar
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
E-Mail: ute.mager@jurs.uni-heidelberg.de