Die paulinische Anthropologie der verkörperten Intersubjektivität

Die paulinische Anthropologie kann, wie der interdisziplinäre Dialog der letzten Jahre gezeigt hat, zur Überwindung der dualistischen Spannungen zwischen konventionellen philosophischen oder theologischen Anthropologien, die man als „mentalistisch“ bezeichnen kann, und neueren naturwissenschaftlichen Denkansätzen, die einen – zuweilen materialistischen – Szientismus vertreten, beitragen.

Die Fruchtbarkeit der Anthropologie des Paulus wurde lange durch den paulinischen Dualismus von „Geist und Fleisch“ verdeckt. Dieser Dualismus, der die Spannung von unvermeidbarer Endlichkeit materieller Selbsterhaltung und Ewigkeit Gottes sowie des Geistes markiert, darf aber die bei Paulus gegebenen fruchtbaren Differenzierungen zwischen sarx und soma nicht übersehen lassen. Im Unterschied zum Fleisch (sarx) ist nach Paulus der Leib (soma) bereits von psyche und pneuma geprägt, er zeichnet sich durch ein polyphones Zusammenspiel seiner Glieder und durch Funktionen aus, die die bloße Selbsterhaltung vielfältig transzendieren. Durch seinen Leib ist der Mensch in überindividuelle Kommunikationszusammenhänge eingebunden (vgl. Merleau-Pontys „Zwischenleiblichkeit“), die er durch leibliche Artikulation ebenso konstituiert wie er selbst durch diese geprägt wird.

Das Teilprojekt soll die Anthropologie des Paulus mit neueren Forschungsansätzen, die im Anschluss an Positionen des nord-amerikanischen Pragmatismus „eine gleichermaßen somatisch-individuelle wie kulturell-historische Anthropologie“ zu entwickeln suchen, ins Gespräch bringen und mit den Ergebnissen der anderen Teilprojekte abgleichen.

Dabei erscheint das paulinische Konzept des Herzens (kardia), das einerseits fleischlich ist, andererseits kognitive, emotionale und voluntative Funktionen verbindet, für eine realistische Verhältnisbestimmung von Biologie und Anthropologie besonders attraktiv. Ebenso ist das paulinische Konzept des Geistes, der eine Mannigfaltigkeit von Erinnerungen und Imaginationen beherbergt und eine Vielzahl von Individuen mit ihren Energien verbindet, genauerer Erforschung wert.

Seitenbearbeiter: Geschäftsstelle
Letzte Änderung: 06.11.2013
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