Menschwerdung: Evolutionäre, soziale und kognitive Grundlagen der Kulturentwicklung

Jede biologische Art besitzt eine spezifische Umwelt, die sich aus wahrnehmbaren Elementen und Wirkungsfeldern zusammensetzt. Als Faktoren beinhaltet sie Artgenossen, belebte und unbelebte Objekte, Beziehungsmöglichkeiten unter diesen und die Zeittiefe, in der die Elemente als relevant erachtet werden und miteinander interagieren können. Innerhalb dieser z.T. natürlichen, z.T. kognitiv und kulturell geprägten Umwelt bildet sich der kognitive Raum eines Organismus aus einer phylogenetisch-biologischen, einer ontogenetisch-individuellen und einer historisch-kulturellen Dimension. Die kognitive und kulturelle Evolution des Menschen ist nicht als eine fortschreitende Anpassung an eine unabhängige, für alle gleichermaßen existierende Umwelt zu sehen, sondern als Koevolution miteinander verflochtener spezifischer Systeme. Im Laufe der menschlichen Entwicklung werden insbesondere die kulturell-historische Dimension der Kognition und die spezifische Umwelt abhängig voneinander stark erweitert. Wie lassen sich vor diesem Hintergrund die spezifischen genetischen, zellulären und organismischen Merkmale, die den modernen Menschen ausmachen, bestimmen, und wie sind die entsprechenden evolutionären Anpassungsleistungen als Bedingungen für die Kulturentwicklung zu erfassen? Wie lassen sich die Charakteristika menschlicher Kulturen (z.B. ihre Konservativität, Innovativität, Akkumulativität, Historizität, Symbolizität und Variabilität) auf biologische Faktoren der Menschwerdung beziehen und welche Funktionen haben genetische Umstrukturierungen in diesem Prozess?

Ziel des Teilprojekts ist die Entwicklung eines theoretischen, philosophisch-anthropologisch gestützten Rahmens, um den bio-kulturellen Prozess der menschlichen Evolution am Leitfaden der leiblich fundierten Artikulation besser zu verstehen. Dazu sollen die unterschiedlichen Zeitskalen menschlicher Entwicklung, also Phylogenese, Soziogenese und Ontogenese, miteinander in Beziehung gesetzt werden, wobei die natürlich-genetische Ausstattung des Menschen einerseits als Bedingung für Kulturentwicklung betrachtet wird, andererseits aber auch als plastische organische Matrix, die in einem Zyklus der Wechselwirkung auf die kulturellen Prozesse reagiert.

Seitenbearbeiter: Geschäftsstelle
Letzte Änderung: 06.11.2013
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