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Fellow-Klasse 2013/14Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs

Arbeitsvorhaben am Marsilius-Kolleg

Das Gehirn - ein Organ der Freiheit? Neurobiologische Bedingungen personaler Autonomie

In der klassischen Ethiktradition und Handlungstheorie setzt das Verständnis von Handlungen im Unterschied zu natürlichen Ereignissen eine abwägende, beurteilende und zu Entscheidungen fähige Instanz voraus, die zumeist dem Begriff der Person zugeordnet wird. Für Personen ist es charakteristisch, dass sie nicht unmittelbar aus Impulsen heraus agieren müssen, sondern das eigene Handeln vor dem Hintergrund ihrer Überzeugungen und unter Berücksichtigung der Interessen anderer bewerten und bestimmen können. Dieses Vermögen der Selbstbestimmung spielt insbesondere seit Kant eine zentrale Rolle für die Begründung der Menschenwürde. Die neurobiologische Problematisierung der Willensfreiheit hat daher potenziell weitreichende Auswirkungen auf unser Verständnis von Personalität und menschlicher Würde.

 

Das Projekt soll in dieser Debatte einen neuen Weg beschreiten, indem es die anthropologischen Voraussetzungen personaler Autonomie, insbesondere selbstbestimmten Handelns mit den Erkenntnissen der Neurobiologie in Beziehung setzt und dabei insbesondere diejenigen Besonderheiten der menschlichen Gehirnentwicklung heranzieht, die dem Menschen im Verlauf seiner Phylo- und Ontogenese zunehmende Freiheitsgrade ermöglichen. Dazu gehören insbesondere spezifische Frontalhirnfunktionen, die der Regulation emotionaler Impulse und der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme bzw. "Theory of Mind" zugrundeliegen. Durch eine Verknüpfung neurobiologischer Theorien (Fuster, Gazzaniga u.a.) mit Ansätzen der philosophischen Anthropologie, so die Hypothese, lassen sich menschliche Personen als Wesen verstehen, deren Körperorganisation bzw. Gehirnstrukturen ihnen die Möglichkeit zur Entwicklung einer "exzentrischen Position" (Plessner) und damit potentiell auch zur Selbstbestimmung unter allgemeinen moralischen Gesichtspunkten geben. - Das Porjekt soll somit biologische und sozialanthropologische Deutungen der Entwicklung personaler Autonomie auf eine mögliche Konvergenz hin untersuchen.

Porträt Thomas Fuchs Fellow 2013/14

FORSCHUNGSGEBIETE

  • Phänomenologische Psychologie und Psychopathologie
  • Kohärenz und Störungen des Selbsterlebens
  • Phänomenologie und Kognitive Neurowissenschaften
  • Theorie und Ethik der Psychiatrie und Medizin

Lebenslauf

  • 1981 - 1987 Studium der Medizin, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte
  • 1990 Promotion in Medizingeschichte (summa cum laude)
  • 1989 - 1996 Psychiatrische Ausbildung an der TU München 
  • 1995 Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
  • 1999 Promotion in Philosophie (summa cum laude)
  • 1999 Habilitation in Psychiatrie an der Universität Heidelberg: „Psychopathologie von Leib und Raum“
  • seit 1997 Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg, Leiter der Sektion „Phänomenologische Psychopathologie und Psychotherapie“
  • seit 2004 Leiter des Referats „Philosophische Grundlagen der Psychiatrie“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie (DGPPN)
  • seit 2005 Professor für Psychiatrie und Psychotherapie, Univ. Heidelberg
  • seit 2008 Direktor des Interdisziplinären Forums für Biomedizin und Kulturwissenschaften

Ausgewählte Publikationen

Tabelle

Fuchs, T., 2013: The phenomenology and development of social perspectives. Phenomenology and the Cognitive Sciences (published online first).
Fuchs, T., 2012: The feeling of being alive. Organic foundations of self-awareness. In: Fingerhut, J., Marienberg, S. (Hg.), Feelings of Being Alive, pp. 149-166. De Gruyter, Berlin New York.
Fuchs, T., 2011: Are mental illnesses diseases of the brain? In: S. Choudhury, S.K. Nagel, J. Slaby (eds) Critical Neuroscience: Linking Neuroscience and Society through Critical Practice, p. 331-344. Blackwell, London.
Fuchs, T., 2011: The brain – a mediating organ. Journal of Consciousness Studies 18: 196-221.
Fuchs, T., 2010: Intercorporality. How embodied interaction shapes mind and brain. In: S. Flach, D. Margulies, J. Söffner (eds) Habitus in Habitat I. Emotion and Motion, pp 55-67. Peter Lang, Bern.
Fuchs, T., 2010: Phenomenology and Psychopathology. In: S. Gallagher, D. Schmicking (eds) Hand­book of phe­nomenology and the cognitive sciences, 547-574. Springer, Dordrecht.
Fuchs, T., Sattel, H., Henningsen, P. (Hrsg.), 2010: The Embodied Self: Dimensions, Coherence, Disorders. Schattauer, Stuttgart.
Fuchs, T., De Jaegher, H., 2009: Enactive Intersubjectivity: Participatory sense-making and mutual incorporation. Phenomenology and the Cognitive Sciences 8: 465-486.Fuchs, T.,
Fuchs, T., 2005: Delusional mood and delusional perception - A phenomenological analysis. Psychopathology 38, 133-139.
2008: Das Gehirn - ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption. Kohlhammer, Stuttgart.
Fuchs, T., 2008: Leib und Lebenswelt. Neue psychiatrisch-philosophische Essays. Graue Edition, Kusterdingen.
Fuchs, T., 2007: Was heißt 'sich entscheiden'? Die Phänomenologie von Entscheidungsprozessen und die Debatte um die Willensfreiheit. In: T. Buchheim, T. Pietrek (Hrsg.) Freiheit auf Basis von Natur? S. 101-118. Mentis, Paderborn.
Fuchs, T., 2006: Ethical issues in neuroscience. Current Opinions in Psychiatry 19, 600-607.
Fuchs, T., 2006: Kosmos im Kopf? Neurowissenschaften und Menschenbild. Z. für medizinische Ethik 52, 3-14.

KONTAKT

Prof. dr. Dr. Thomas Fuchs

Zentrum für Psychosomatische Medizin
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
E-Mail thomas.fuchs@med.uni-heidelberg.de