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Fellow-Klasse 2008/09Prof. Dr. Ekkehard Felder

Arbeitsvorhaben am Marsilius-Kolleg

Akzeptanzprobleme wissenschaftlicher Forschung im Spiegel sprachlicher Konstitutionsbedingungen

Wissen, Faktizitätsherstellung und Weltbildkonstitution durch Sprache als interdisziplinäre Herausforderung

Wer die Sachverhalte der Welt sprachlich fasst bzw. "zubereitet", schafft dadurch Realitäten. Realitäten können als Versuch der sprachlich gebundenen Faktizitätsherstellung beschrieben werden. Deshalb beinhalten öffentliche Debatten über Forschungsergebnisse oft einen Streit um Worte: Darf man zum Beispiel von "therapeutischem Klonen" sprechen oder sollte man eher "Forschungsklonen" sagen? Welches Konzept steht hinter dem Wortbildungselement "Nano-"? Gibt es einen Unterschied zwischen "Sterbehilfe", "Hilfe zum bzw. beim Sterben" oder "assistiertem Suizid"? Wer eine Bezeichnung in der öffentlichen Debatte durchsetzen kann oder Bedeutungskomponenten eines gängigen Ausdrucks zu prägen vermag, der hat sehr oft die Deutungshoheit über den entsprechenden Sachverhalt.

Als Medienrezipienten und Saatsbürger werden wir in erheblichem Maße mit Realität konfrontiert, also mit sprachlichen Produkten in Medien, die außermediale Wirklichkeit zu zeigen vorgeben. In der Rezeption von gesellschaftspolitisch relevanten Ereignissen wie z. B. Forschungsergebnissen haben wir es demnach mit - in Mediensprache, Bildern und Grafiken - gestalteten Phänomenen zu tun.

Relevant wird dieser Umstand, wenn Fachleute darüber klagen, wie Themen ihrer Fachdisziplinen in Medien veröffentlich werden. Von dieser Erfahrung ausgehend stellt sich die Frage, wie Medien - im Unterschied zu den Experten der jeweiligen Wissensdomäne - Sachverhalte konstituieren, also Realität erzeugen. Hält man sich darüber hinaus die vermeintlich triviale Tatsache vor Augen, dass jegliches Wissen zum Zwecke der Kommunikation sprachlich gefasst werden muss, so wird evident, dass die Folie Sprache (also Fach- und Gemeinsprache) als Erzeugungsmedium fachlichen Wissens der besonderen Aufmerksamkeit bedarf.

Zielsetzung des Arbeitsvorhabens

 Das Erkenntnisziel des angeführten Arbeitsvorhabens hat eine methodische und eine inhaltliche Dimension. Inhaltlich sind die exemplarisch vorgeschlagenen Themen bzw. Untersuchungsgegenstände (sog. Klonen, Nano-Technologie, Sterbehilfe) in den nächsten Jahren von höchster Relevanz (zu ergänzen um weitere Themen der Marsilius-Fellows) und bedürfen daher der Analyse von natur- und geisteswissenschaftlicher Seite. Methodisch sollen interdisziplinär entwickelte und an Einzelbeispielen erprobte Beschreibungsverfahren solcher Diskurse - insbesondere die Kluft zwischen Fachdiskurs und öffentlichem Diskurs - in ein grundlegendes Heidelberger Marsilius-Paradigma überführt werden. Das Innovative des Ansatzes besteht darin, dass nicht nur ex-post-Analysen von Wissenschaftsdebatten angestrebt werden, sondern die synchrone fachlich und außerfachliche Analyse der aktuellen Diskussion sowie der Versuch der wissenschaftlichen Einflussnahme auf die Debatte. Dazu bedarf es eines Kooperationsprinzips zwischen Linguisten und sprachlich interessierten Fachexperten unterschiedlicher Wissensdomänen, wie dies im interdisziplinären und internationalen Forschungsnetzwerk "Sprache und Wissen" (vgl. www.suw.uni-hd.de). durch eine strukturell nachhaltige Vernetzung realisiert ist.

Porträt Ekkehard Felder Fellow 2020/21 Hochkant

FORSCHUNGSGEBIETE

  • Fachkommunikation (Recht, Biotechnologie)
  • Linguistische Diskursanalyse als Mentalitätsgeschichte
  • Grammatik und Rhetorik
  • Semantik und Pragmatik

Lebenslauf

  • 1985-1992 Studium der Germanistik, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität München, Madrid (Spanien) und Freiburg im Br.
  • 1994 Promotion zum Dr. phil., Universität Freiburg im Br.
  • 1996 Zweites Staatsexamen für Gymnasiallehreramt in Baden-Württemberg
  • 2002 Habilitation "Deutsche Philologie (Sprachwissenschaft)", Universität Münster/Westfalen
  • 2003-2005 Lehrstuhlvertretung an der Universität zu Köln
  • 2006 Ruf auf eine Linguistik-Professur (NF Köller), Universität Kassel (abgelehnt)
  • seit 2006 Professor für Germanistische Linguistik, Universität Heidelberg

Ausgewählte Publikationen

Tabelle

Herausgeber der Reihe "Sprache und Wissen (SuW)". Berlin/New York: de Gruyter.
(Hg.): Semantische Kämpfe. Macht und Sprache in den Wissenschaften. Berlin/New York 2006 (Linguistik - Impulse und Tendenzen Bd. 19).3. Juristische Textarbeit im Spiegel der Öffentlichkeit. Berlin/NewYork: Walter de Gruyter 2003 (Studia Linguistica Germanica Band 70)..Kognitive Muster der politischen Sprache. Eine linguistische Untersuchung zur Korrelation zwischen sprachlich gefasster Wirklichkeit und Denkmustern am Beispiel der Redner Theodor Heuss und Konrad Adenauer. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang 1995 (Europäische Hochschulschriften: Deutsche Sprache & Literatur, Bd. 1490).
Lingusitische Sprachkritik im Geiste linguistischer Aufklärung. In: Liebert, Wolf- Andreas/Schwinn, Horst (Hg.): Gemeinsprache, Fachsprache, Individualsprache. Festschrift für Rainer Wimmer. Tübingen 2009 (Studien zur deutschen Sprache - IDS).
Alltagsweltliche und juristische Wirklichkeitskonstitution im Modell der "Juristischen Textarbeit - ein sprachhandlungstheoretischer Beitrag zur Kommunikation im Recht". In: Lerch, Kent (Hg.): Die Sprache des Rechts. Strukturen, Formen und Medien der Kommunikation im Recht. Berlin/New York 2005, S. 133-168 (Studien der AG Sprache des Rechts im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 3).
"Das Spannungsverhältnis zwischen Sprachnorm und Sprachvariation als Beitrag zu Sprach(differenz)bewusstheit". In: Wirkendes Wort. 53 Jg. Heft 3/2003, S. 473-499.
"Juristische Sprachnormierungskonflikte in Sitzblockadenentscheidungen". In: Linguistische Berichte. Heft 194, 2003, S. 153-182.
"Nachhaltiges Erinnern durch sprachliches Handeln am Beispiel von Gedenkreden". In: Deutsche Sprache (DS). Heft 3, 2000, S. 254-277.
„Differenzen in der Konzeptualisierung naturwissenschaftlicher Grundlagen bei Befürwortern, Skeptikern und Gegnern der Gen-/Biotechnologie.“ In: Satzger, Axel (Hg.): Sprache und Technik. Frankfurt am Main u.a.: 1999, S. 35-49.

KONTAKT

Prof. Dr. Ekkehard Felder

Neuphilologische Fakultät
Germanistisches Seminar
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
E-Mail: ekkehard.felder @gs.uni-heidelberg.de