Bereichsbild

Arbeitsvorhaben Prof. Dr. Markus Pohlmann

"Flexibilität und kognitive Entwicklung älterer Arbeitnehmer" und "salutogene Effekte arbeitspolitischer Maßnahmen"

 

1) Marsilius-Teilprojekt "Flexibilität und kognitive Entwicklung älterer Arbeitnehmer - Altersspezifische Flexibilitätspotenziale von Organisationen

 

Organisationen (wie z.B. Wirtschaftsunternehmen und Krankenhäuser) sorgen mittels arbeitsorganisatorischen Strukturen nicht nur für spezifische Anforderungs- und Belastungsprofile für ältere Arbeitnehmer. Sie erzeugen Flexibilitäten und Rigiditäten weit über das Arbeitsleben hinaus und bestimmen so Chancen und Grenzen der Prävention. Das Forschungsvorhaben fokussiert sowohl auf die Analyse der Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen für ältere Arbeitnehmer als auch auf die Erforschung von betrieblichen Personalpolitiken und Bildungsstrategien als mögliche Determinanten der Lebensweise älterer Arbeitnehmer mit ihren Nachwirkungen in der nachberuflichen Zeit. Dabei werden mit Unternehmen und Krankenhäusern zwei verschiedene gesellschaftliche Sektoren in den Blick genommen. Während uns bei Unternehmen und Krankenhäusern interessiert, wie diese altersspezifische Potenziale der Beschäftigten erkennbar und nutzbar machen, stellt sich auf der Seite der Beschäftigten die Frage, wie sie auf Flexibilitätserwartungen der Betriebe reagieren und welche "kognitiven Reserven" ihnen dabei zur Verfügung stehen. Bezogen auf die Akteursebene heißt das, dass Leistungs- und Flexibilitätsvermögen von alters- und gesundheitsbezogenen Fremd- und Selbstdeutungen (Gesundheitsbildern) und (Selbst)Managementkonzepten beeinflusst werden, die typische Muster von arbeits- und alterungsbedingten Phänomenen (Krankheitsbilder, nachlassende Leistungsfähigkeit) erklären helfen. Die zentrale Fragestellung im Forschungsvorhaben lautet deswegen: Mit welchen Managementkonzepten und Personalpolitiken verändern Unternehmen und Krankenhäuser die Kontextbedingungen für ältere Beschäftigte? Wie wird in diesem Zusammenhang mit Belastungen und Flexibilität des Personals umgegangen und welches sind die Auswirkungen für die davon betroffenen, älteren Arbeitnehmer?

Zusammen mit der Psychologie, der Pädagogik, der Gerontologie, Epidemiologie und der Gerontopsychiatrie wird diese Fragestellung im Marsilius-Kolleg untersucht werden. Dabei werden sowohl Sekundäranalysen des ILSE-Panels herangezogen als je zehn Betriebsfallstudien in Industrieunternehmen und Krankenhäusern durchgeführt. Bei der Analyse der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsumfeldes wird mit der Arbeits- und Organisationspsychologie eng zusammengearbeitet (Prof. Sonntag), bei der Analyse von Weiterbildungsaktivitäten im Sinne des life-long Learning mit der Erwachsenenpädagogik (Prof. Schiersmann). Die Analyse von Krankheits- und Gesundheitsbildern älterer Arbeitnehmer wird in enger Verzahnung mit der Gerontologie (Prof. Kruse), der Gerontopsychiatrie (Prof. Schröder) und der Epidemiologie (Prof. Brenner) durchgeführt (siehe dazu auch den Antrag des Projektes im Marsilius-Kolleg).

 

2) Forschungsvorhaben: Salutogene Effekte arbeitspolitischer Maßnahmen

 

Das Forschungsvorhaben fokussiert auf die Frage, ob und welche gesunderhaltenden und gesundheitsförderlichen Effekte mit arbeitspolitischen Maßnahmen verbunden sind. Den Ausgangspunkt zur Überprüfung ihrer Bedeutung bilden ebenfalls die Gesundheitsbilder und gesundheitsbezogenen Selbstmanagementkonzepte der Teilnehmer. Sie werden u.a. beeinflusst durch die biographische Verarbeitung der eigenen Krankheits- und Gesundheitsgeschichte im Kontext von Arbeitslosigkeit, durch die soziale Herkunft sowie die Qualifikation und Position der Teilnehmer. Ihre Aktualisierung und Veränderung im organisationalen sowie tätigkeitsbezogenen Kontext der arbeitspolitischen Maßnahme ist Gegenstand der Untersuchung, die sich insbesondere auf die Gruppe der älteren Arbeitslosen (der über 45-Jährigen) konzentriert. Hier sind nicht nur durch die Zusammenarbeit mit dem Marsilius-Kolleg große Synergieeffekte zu erwarten, sondern diese Gruppe ist aufgrund des demographischen Wandels auch von großer gesellschaftlicher Relevanz. Die Untersuchung resultiert in einer Einschätzung der salutogenen Handlungspotentiale und pathogenen Risikopotentiale der im Kontext arbeitspolitischer Maßnahmen aktualisierten und veränderten Gesundheitsbilder und liefert so einen neuen Zugang zur Einschätzung der Wirksamkeit arbeitspolitischer Maßnahmen. Berücksichtigt werden hier auch psychische Erkrankungen, deren Bedeutung trotz hoher Lebenszeitrisiken und ungünstiger Wechselwirkungen mit Arbeitslosigkeit bisher kaum beachtet wurden. Das Forschungsvorhaben kann auf diese Weise zu einer Neudefinition arbeitspolitischer Maßnahmen auf der Basis einer sozial- und humanwissenschaftlichen Expertise beitragen (vgl. dazu auch das Gutachten "Arbeitsmarktpolitik und Gesundheit", Höfkes/Brink 2003) und zugleich mit der Gerontopsychiatrie, dem Marsilius-Kolleg und der Caritas einen Forschungsverbund aufbauen, der dem Monitoring gesundheitsförderlicher, präventiver Effekte von Arbeit und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen dient. Ähnlich wie bei der These der "kognitiven Reserve" bei Demenzerkrankungen (vgl. Schönknecht et al. 2005; Pantel/Schröder 2006; Schröder et al. 2007) kann davon ausgegangen werden, dass es sich auch bei arbeitspolitischen Maßnahmen im Sinne von Antonovsky (1979; 1997) lohnt, nach den Bedingungen und Schutzfaktoren zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit zu fragen. Neben der Vermeidung von Krankheitsrisiken müssen aber auch die gesundheitsförderlichen Wirkungen solcher Maßnahmen analysiert werden (vgl. Schaefer 2002: 38). Gerade auch die Befunde verschiedener internationaler Studien sprechen dafür, dass bestimmte negative Effekte der Arbeitslosigkeit (wie Mutlosigkeit, fehlende Tagesstruktur, Kontaktschwierigkeiten, brachliegende Fähigkeiten etc.) in der Zeit von arbeitspolitischen Maßnahmen nicht auftreten (vgl. Hagquist/Starrin 1996; Alm 1998, Novo et al. 2001; vgl. zusammenfassend auch: Behle 2007: 101f.). In Deutschland liegt bisher lediglich eine Studie vor (Behle 2007), die bei Jugendlichen eine Stabilisierung oder den Erhalt der "seelischen Gesundheit" durch die arbeitspolitische Maßnahme "Jump" nachweisen kann. Studien zu älteren Arbeitslosen in arbeitspolitischen Maßnahmen fehlen gänzlich.

Hierbei orientiert sich das Forschungsvorhaben am soziologisch etablierten Deutungsmusteransatz und entwickelt diesen system- und organisationstheoretisch weiter, indem die Effekte von Inklusion und Exklusion durch die arbeitsmarkpolitische Organisation von "Statuspassagen" analysiert werden (vgl. Glaser/Strauss 1971; Ezzy 1993; Nordenmarkh/Strand 1999). In Zusammenarbeit mit der Gerontopsychiatrie wird aber zugleich thematisiert, inwiefern diese Gesundheitsbilder die Entstehung von (auch medizinisch-objektiv konstatierbaren) Krankheitsbildern bei älteren Arbeitslosen moderieren und verändern (insbesondere im Falle psychischer Erkrankungen).

Das Vorhaben fokussiert in der Untersuchung dieses Zusammenhangs auf zwei Maßnahmen, die in besonderer Weise auf arbeitsmarktpolitische Problemfälle ausgerichtet sind: die Zusatzjobs der sogenannten Ein-Euro-Jobber und die Arbeitsmaßnahmen nach § 16a SGB II für Personen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen. In Kooperation mit der Caritas als großem Träger solcher Maßnahmen, dem Forschungsverbund des Marsilius-Kollegs (insbesondere Prof. Kruse) und dem Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (ISO) in Saarbrücken (Prof. Bieber) werden, neben Sekundäranalysen der Daten des ILSE-Panels , 20 problemzentrierte,
100 teilstandardisierte und 350 standardisierte Interviews mit Teilnehmern der Maßnahme zu zwei verschiedenen Erhebungszeitpunkten geführt. Human- und sozialwissenschaftliche Fragestellungen sind dabei in innovativer Weise miteinander verwoben. Zusammensetzung der Arbeitsgruppe: Prof. Dr. Markus Pohlmann, Institut für Soziologie Prof. Daniel Bieber, Institut für Soziologie und ISO-Institut Saarbrücken Prof. Johannes Schröder, Medizinische Fakultät Prof. Andreas Kruse, Institut für Gerontologie Dr. Klaus-Peter Meinerz, Diözesan Caritas Verband, Abteilung Europa/Arbeitsmarkt.

Seitenbearbeiter: Geschäftsstelle
Letzte Änderung: 13.07.2011
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